Künstliche Intelligenz im Kapazitäts- und Verkehrsmanagement
Der optimierte Bahnbetrieb der Zukunft
Insgesamt mehr als 40.000 Fern-, Nahverkehrs- und Güterzugfahrten sind täglich auf dem deutschen Schienennetz unterwegs. Allein das Netz der Deutschen Bahn umfasst rund 33.000 Streckenkilometer, die mit Zügen verschiedenster Eigenschaften und Halte befahren wird. Wenn tausende von Zügen im dichten Verkehr unterwegs sind, müssen bei Störungen schnelle Entscheidungen zur Anpassung des Betriebsablaufs getroffen werden. Diese wiederum führen kaskadenartig zu weiteren notwendigen Änderungen. Bei dieser Komplexität geraten die heutigen, größtenteils manuellen Planungs- und Dispositionsprozesse rasch an ihre Grenzen. Bislang war es nur in Teilen möglich, diese Prozesse mit IT zu unterstützen. Haupthindernis war die mangelnde Skalierbarkeit existierender Methoden. Diese Beschränkung kann inzwischen mit lernenden KI-Systemen überwunden werden.
Die Vorteile im Überblick
Im heutigen Netzbetrieb treffen lokale Disponenten in den Betriebszentralen der Deutschen Bahn täglich eine große Anzahl von Einzelentscheidungen. Diese Aufgaben werden zukünftig weitgehend automatisiert. Dadurch verringern sich Wartezeiten. Darüber hinaus werden Zugfolgeentscheidungen, Gleiswechsel oder Umroutungen einfacher. Sie können effizienter berechnet und schneller umgesetzt werden, sodass der Verkehr auf dem Gesamtnetz reibungslos fließen kann. Auch die Fahrplanung soll gleichzeitig mit der Baustellenplanung, die bisher in parallelen Prozessen stattfindet, auf ähnliche Weise automatisiert werden.
Wo heute noch über mehrere Monate hinweg und in mehreren Stufen Fahrpläne erstellt werden, soll künftig ein integriertes System mit Blick auf die Anforderungen aller Kunden und Stakeholder die Kapazität des Netzes effizienter verteilen. Sobald die KI trainiert ist, kann sie innerhalb kürzester Zeit hochdetaillierte Ablaufpläne berechnen, nach denen die zuständigen Systemkomponenten den Verkehr steuern. Die enorme Skalierbarkeit und Komplexitätsreduktion lernender KI wird zukünftig ermöglichen, deutschlandweit Fahrpläne in Echtzeit zu erstellen, anzupassen und auf dem Gesamtnetz den Eisenbahnverkehr zu optimieren. Grundlage für die technische Umsetzung ist ein KI-basiertes, automatisiertes Kapazitäts- und Verkehrsmanagementsystem (CTMS – Capacity & Traffic Management System). Die Digitale Schiene Deutschland entwickelt damit ein automatisiertes Planungs- und Steuersystem für das digitale Bahnsystem der Zukunft.
Die Technologie im Einsatz
Um KI für das Verkehrsmanagement nutzbar zu machen, wurde eine Simulationsumgebung aufgebaut, welche die Eisenbahnwelt bzgl. Fahrplanung und Zugdisposition digital abbildet. Dadurch können KI-Algorithmen realitätsnah trainiert werden. Die künstliche Intelligenz sammelt durch sogenanntes „Reinforcement Learning“ (zu Deutsch: „bestärkendes Lernen“) Erfahrung. Mit den aktuellen CTMS-Prototypen werden am Beispiel eines kleinen Netzausschnitts grundlegende Funktionen des CTMS in mikroskopischer Simulation demonstriert. Die laufende Erweiterung des Prototyps zielt sowohl auf erweiterte Funktionalität als auch auf größere Realitätsnähe der Fahrphysik.
Der erste betriebliche Einsatz des CTMS ist im Digitalen Knoten Stuttgart (DKS) geplant. Dort soll das CTMS ab 2029 zunächst die erweiterte Stammstrecke der S-Bahn via ATO GoA 2 auf der Grundlage eines DSTW und mit ETCS Level 2 ohne Signale steuern.
Das folgende Video erklärt das Thema "Reinforcement Learning" als grundlegende KI-Methode des Kapazitäts- und Verkehrsmanagementsystems der Zukunft.