Eisenbahnbetriebsfeld Darmstadt: Unverzichtbare Simulationsplattform für die Technologien der Digitalen Schiene Deutschland
Januar 2025 – Eisenbahnbetriebsfelder in Deutschland haben eine lange Tradition und spielen auch im digitalen Zeitalter eine wichtige Rolle. Ein wichtiges Einsatzgebiet ist die Simulation von Innovationen im Labor, bevor teure Feldtests auf der Schiene durchgeführt werden (siehe Artikel: Vollautomatisiertes, fahrerloses Fahren - Simulationsbasierte Tests im Labor vermeiden teure Feldtests). Die Simulationsanlagen bieten eine Umgebung, um verschiedene Szenarien im Eisenbahnbetrieb nachzustellen. Sie ermöglichen die Betrachtung und Analyse der Auswirkungen neuer Innovationen im Gesamtsystem mit dem Blick von oben. Eine der bekanntesten Anlagen ist das Eisenbahnbetriebsfeld Darmstadt (EBD), welches auch von der Digitalen Schiene Deutschland zur frühen Erprobung und Weiterentwicklung innovativer Technologien genutzt wird. Dr.-Ing. Frederik Düpmeier, ein Mitarbeiter im Bereich Systementwicklung für integrierte Leit- und Sicherungstechnik und ehemaliger Leiter der Entwicklung der TU Darmstadt am EBD, erklärt die Bedeutung des EBD für aktuelle Entwicklungsprojekte.
Das Eisenbahnbetriebsfeld Darmstadt (EBD) wurde 2006 als Kooperationsprojekt zwischen der DB Training, der Technischen Universität Darmstadt und dem Akademischen Arbeitskreis Schienenverkehr e. V. gegründet. Es dient unter anderem der Aus- und Weiterbildung verschiedener Zielgruppen, wie zum Beispiel Zugsteuerer oder Disponent:innen. Die Ausbildung ist besonders praxisnah, da die Teilnehmenden an einer digital gesteuerten Modellbahnanlage realistische Betriebssituationen erproben.
„Mit Blick auf die Technologien der Digitalen Schiene Deutschland liegt der Fokus jedoch auf Forschung und Entwicklung“, so Frederik Düpmeier.
Das EBD kooperiert eng mit verschiedenen Partnern aus Bildung, Forschung und Industrie. Diese Zusammenarbeit ermöglicht den Austausch von Wissen und Erfahrungen und fördert gemeinsame Lösungsansätze für Herausforderungen im Eisenbahnverkehr, wie die Steigerung der Kapazität.
Auch internationale Partnerschaften mit ausländischen Eisenbahnverkehrsunternehmen und regelmäßige Workshops mit späteren Nutzer:innen über den Einsatz neuer Eisenbahntechnologien tragen zur Weiterentwicklung bei.
Technische Ausstattung und Infrastruktur
Das EBD verfügt über eine digital gesteuerte Modellbahnanlage, die eine breite Palette an Fahrzeugen und klassischen Feldelementen wie Weichen, Signale und Bahnübergänge beinhaltet. Die H0-Anlage mit Modellmaßstab 1:87 bildet rund 135 Kilometer Strecke im Längenmaßstab 1:250 ab. Der kleinere Streckenmaßstab ermöglicht es, realitätsnahe Fahrzeiten zwischen den Betriebsstellen zu simulieren.
Die Modellbahnanlage ist modular aufgebaut und kann in verschiedenen Konfigurationen wahlweise durch nachgebildete elektronische Stellwerke oder verschiedene ältere Stellwerkstypen (mechanische, elektromechanische und Relaisstellwerke) gesteuert werden. Ein Fahrsimulator ergänzt die Hardware-Ausstattung.
Die Software ist das Herzstück des EBD. Sie ist modular aufgebaut und besteht aus zahlreichen einzelnen Applikationen, die unabhängig voneinander verwendet werden können und soweit möglich auf standardisierte Schnittstellen zurückgreifen. Zu den verfügbaren Systemen zählen diverse Stellwerkssimulationen, aber auch Dispositionssysteme, Informationssysteme für Reisende oder ein Fahrplaneditor.
Der modulare Aufbau des EBD erlaubt die permanente Anpassung und Erweiterung von Hard- und Software und das Austauschen einzelner Module durch innovative neue Systeme, die so in die vorhandene Systemumgebung eingebettet werden können.
Forschung und Entwicklung am EBD
Das EBD ermöglicht die frühe Erprobung von Innovationen durch sogenannte „Pretotypes“, also frühe experimentelle Modelle, die dann zu echten Prototypen heranwachsen. „Durch Nutzerfeedback und die Möglichkeit der schnellen Modifikation des Pretotypes auf Basis des Feedbacks können nachhaltige Verbesserungen erzielt werden“, so Düpmeier. Im EBD werden die betrieblichen Auswirkungen von Innovationen im Systemkontext analysiert. Es bietet außerdem eine Plattform zum Austausch über die Forschungsfelder, indem es neue Technologien demonstriert und deren Vorteile aufzeigt. So können die neuen Technologien evaluiert, deren Nutzen bewertet und das Verständnis für die komplexen Abläufe im Bahnbetrieb gefördert werden.
Die Digitale Schiene Deutschland ist mit verschiedenen Projekten im EBD aktiv. Neben der Erprobung der Praxistauglichkeit der neuen Fahrdienstvorschrift für den Digitalen Bahnbetrieb (Richtlinien 400), ist eines der aktuellen Projekte die Demonstration des Capacity and Traffic Management System (CTMS), welches die Planungs- und Dispositionsprozesse optimiert. Es wird sowohl die Kapazitätsauslastung als auch das Verkehrsmanagement auf dem Schienennetz verbessern. Das System verwendet Technologien wie Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, um den Zugverkehr in Echtzeit zu steuern und zu koordinieren. Ziel ist es, eine effizientere Nutzung der vorhandenen Infrastruktur zu ermöglichen und Verzögerungen zu minimieren.
„Das CTMS optimiert den Betrieb auf Basis der aktuellen betrieblichen Situation. Es bekommt mitgeteilt, wie der aktuelle Zustand des Bahnsystems ist und passt den aktuell hinterlegten Fahrplan im Störfall entsprechend an“, erklärt Düpmeier.
Das Advanced Protection System (APS) ist als Kernbestandteil der Advanced Digital Infrastructure (ADI) das infrastrukturseitige Sicherungssystem der Zukunft und eine weitere innovative Technologie, die 2025 im EBD demonstriert und evaluiert werden soll. Die hauptsächliche Innovation liegt dabei darin, dass die Sicherung nicht mehr durch fest vordefinierte Fahrwege mit definierter räumlicher Länge (Blöcke und Fahrstraßen) erfolgt, sondern abhängig von Eigenschaften des jeweiligen Zuges nur der tatsächlich benötigte Bereich der Infrastruktur für die minimal mögliche Zeit für den Zug reserviert wird. Der für den Zug reservierte Bereich und damit die Fahrterlaubnis des Zuges kann dabei an jedem Punkt des Gleisnetzes beginnen und enden. Somit können Züge im geringstmöglichen Abstand (Moving Block) verkehren, um eine dichtere Zugfolge im bestehenden Bahnnetz zu ermöglichen – ohne den Bau neuer Infrastruktur. APS soll dabei sowohl die Kernaufgaben der bisherigen Stellwerke als auch der ETCS-Streckenzentralen übernehmen. Für die Einhaltung der Vorgaben der Fahrterlaubnis auf dem Zug bleiben weiterhin die ETCS-Fahrzeugsysteme
zuständig, die im EBD ebenfalls simuliert werden.
Herausforderungen im EBD
Eine der größten Herausforderungen ist die Wartung der Modellbahnanlage, da sie einem intensiven Dauereinsatz standhalten muss.
„Jeder Modelleisenbahn-Fan weiß, dass die Komponenten nicht für den Dauereinsatz ausgelegt sind. Deshalb ist regelmäßige Wartung und Pflege der filigranen Elemente notwendig und es kann auch mal zu technischen Problemen kommen“, gibt Düpmeier zu bedenken.
Es ist außerdem nicht einfach, freie Termine im EBD zu finden, da die Anlage fast durchgehend im Einsatz ist.
In den kommenden Jahren werden die Test- und Simulationskonzepte des EBD weiterentwickelt, um den Anforderungen moderner Forschung und Ausbildung gerecht zu werden. Projekte wie die stärkere Integration des Fahrsimulators und die kontinuierliche Optimierung der digitalen Planungs- und Datenbereitstellung stehen im Fokus und werden an der Modellbahn erprobt. Auch die wissenschaftliche Kommunikation und die Evaluierung neuer Technologien werden weiter vorangetrieben.
„Für die Digitale Schiene Deutschland (DSD) ist das Eisenbahnbetriebsfeld Darmstadt ein wertvoller Forschungsstandort, um die benötigten Technologien für einen digitalen Bahnbetrieb frühzeitig und in begrenztem Umfang testen zu können“, resümiert Düpmeier. Durch die Kombination von praxisnaher Ausbildung und innovativer Forschung trägt es entscheidend zur Effizienz und Zukunftsfähigkeit des Schienenverkehrs bei.