Menü
31.03.2022

FRMCS Erprobungsprojekt realisiert erste Ende-zu-Ende Übertragung mit 5G im Digitalen Testfeld Bahn im Erzgebirge

Im Erzgebirge errichtet die Digitale Schiene Deutschland zusammen mit Nokia und Kontron Transportation ein 5G-basiertes Kommunikationsnetz, um den zukünftigen Bahnfunkstandard FRMCS zu erproben. Nun konnte ein wichtiger Meilenstein erreicht werden, indem weltweit einer der ersten FRMCS Testanrufe realisiert wurde.

 

Für die von der Digitalen Schiene Deutschland angestrebte weitreichende Digitalisierung des Bahnsystems und die damit in den Bahnsektor eingeführten Technologien wie unter anderem künstliche Intelligenz, modernste Sensorik und hochpräzise Zuglokalisierung, stellt das zukünftige bahnbetriebliche und 5G-basierte Funksystem FRMCS (Future Railway Mobile Communication System) eine wesentliche Grundlage dar. Denn die Digitalisierung geht mit neuen Anwendungsfällen und anspruchsvolleren Anforderungen an die Datenkommunikation einher. FRMCS wird das derzeitige GSM-R Funksystem während einer Migrationsphase ergänzen und perspektivisch ablösen.

 

Das Bahnfunksystem FRMCS setzt sich technisch aus dem sogenannten „Transport Stratum“ und dem „Service Stratum“ zusammen. Das Transport Stratum wird über 5G realisiert und bildet die Übertragungsebene für das Service Stratum, welches mit dem 3GPP Mission Critical Services (MCx) Framework umgesetzt wird. Das MCx Framework bietet zusätzliche Funktionalitäten, z. B. zur Authentifizierung, Gruppenkommunikation und Videoübertragung, welche heutige wie auch zukünftige Bahnapplikationen benötigen, so z. B. für das automatisierte Fahren oder für ein zukünftig KI-basiertes Verkehrsmanagement.

 

In einer der weltweit ersten FRMCS-Testinstallationen im Digitalen Testfeld Bahn im Erzgebirge stellt Nokia für das Projekt die 5G-Technologie bereit, während Kontron Transportation die Mission Critical Services (MCx) realisiert. Beide Lösungen basieren auf dem aktuellen Mobilfunkstandard 3GPP Release 16. Die DB Netz stellt im Rahmen der Sektorinitiative Digitale Schiene Deutschland das Bahntestfeld inklusive Infrastruktur bereit: Insgesamt acht Funkstandorte entlang einer 10km langen Bahnstrecke, Masten und Glasfaseranbindung sowie den Standort für die Server-Infrastruktur in der Laborzentrale des Bahnhofs Scheibenberg. 

 

Die Projektpartner bauen in dieser Forschungskollaboration ihre Erfahrungen für den Aufbau zukünftiger FRMCS-Systeme aus und bringen die Ergebnisse aktiv in die laufende Standardisierung von FRMCS ein. Somit spielt die FRMCS-Erprobung im Erzgebirge auch eine maßgebliche Rolle für die europa- bzw. weltweite FRMCS-Einführung. 

 

Nokia setzt in der Testinstallation auf bewährte Komponenten für die Funkschnittstelle („5G Airscale Radio“), eine kompakte Zentrale zur Netzsteuerung („5G Stand-Alone Cloud Packet Core“) sowie Komponenten zur Verbindung und Synchronisation aller Netzwerk-Bestandteile.

 

An den Funkstandorten entlang der Teststrecke und auf dem Dach des Bahnhofs Scheibenberg wurden sogenannte „Remote Radio Heads“ und Antennen mit einer 4x2 MIMO-Konfiguration installiert: Hiermit können Signale besser in die gewünschte Richtung fokussiert und zwei Datenströme parallel übertragen werden. In der Laborzentrale des Bahnhofs befindet sich die zentrale Netzsteuerung, die Komponenten zur Ansteuerung der Antennen (sogenannte „Radio Base Band Units) sowie eine Network Service- und Testplattform zur Unterstützung der zukünftigen Tests. Für den Betrieb und Monitoring kann auf alle Komponenten auch aus der Ferne zugegriffen werden.

 

Kontron Transportation liefert hierzu die MCx Lösung, die bereits bei einigen Bahnunternehmen eingesetzt wird. Diese besteht unter anderem aus einer zentralen Komponente für die Realisierung von Sprachfunkdiensten („IMS basierter SIP Core“) und einem Server für weitere, datenbasierte Applikationen. Darüber hinaus gehören zu der Lösung Smartphones mit speziellen MCx-Applikationen sowie eine Applikation für Funktionen des Fahrdienstleiters.

 

Ende 2021 konnten die Installationsarbeiten für das FRMCS-System an der Teststrecke beginnen. Nun ist ein funktionsfähiges 5G Stand-Alone Netz ausgebaut und mit den MCx Komponenten integriert worden. Am 23. Februar 2022 konnte ein wichtiger Meilenstein erreicht werden: Über das neu aufgebaute 5G Stand-Alone Mobilfunknetz wurde ein MCPTT („Mission-Critical Push-to-Talk“) Anruf realisiert. Diese Grundfunktionen eines FRMCS-Systems, welche das erfolgreiche Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten unter Beweis stellen, konnten somit hier erstmalig in einem Livesystem erprobt werden. Für das gesamte System bedeutet dies eine bestandene Bewährungsprobe: für das zukünftige 5G basierte Bahnfunknetz FRMCS selbst und für die Einführung neuer Technologien ins System Bahn.

 

Darauf aufbauend wird das FRMCS-Testsystem in den kommenden Monaten räumlich und technisch erweitert. Das bedeutet: Zusätzliche Antennenstandorte werden aufgebaut und in Betrieb genommen, weitere Geräte – speziell für die Ausrüstung in den Zügen – werden integriert. Auch die bestehende Ausrüstung wird nach und nach durch weitere Funktionalitäten ergänzt. Über die kommenden Jahre soll das Testfeld dann für weitere FRMCS-Erprobungen von den Partnern genutzt werden, z.B. für die Erprobung von so genannten hybriden Netzarchitekturen, bei denen ein öffentliches Mobilfunknetz als Rückfallebene oder Kapazitätskomplement zu einem Bahn-eigenen Mobilfunknetz dient. Ferner werden zukünftig neue Anwendungen des automatisierten Bahnsystems basierend auf FRMCS erprobt, z.B. im Kontext des neuen Förderprogramms „Europe’s Rail“. Hierzu gehört voraussichtlich eine Erprobung eines weiter evolvierten European Train Control System Ansatzes (ETCS Level 3 Hybrid Moving Block), welcher auf einer neuen Sicherheitsarchitektur basiert, und der es ermöglicht, dass Züge im optimalen Abstand fahren. So kann deutlich mehr Kapazität auf die Schiene gebracht werden.

 

Weitere Informationen zum Thema FRMCS im Artikel „5G für das digitalisierte Bahnsystem der Zukunft – ein Ausblick auf FRMCS“ (erschienen in: Signal + Draht, Ausgabe 03/22).