SIL4 Data Center – eine neue IT-Plattform-Architektur für sichere Bahnanwendungen
Mit der Digitalisierung werden eine Vielzahl neuer Technologien ins Bahnsystem einkehren, die neben hohen Anforderungen an Performanz und Connectivity auch hohe Safety-Anforderungen an IT-Umgebungen stellen. Im Rahmen der Sektorinitiative Digitale Schiene Deutschland haben DB Netz AG und Siemens Mobility GmbH hierzu einen ersten wichtigen Schritt getan und die grundlegende Architektur für ein „SIL4 Data Center” erarbeitet. SIL4 (Safety Integrity Level 4) steht dabei für das höchste Sicherheits- und Zuverlässigkeitsniveau im Bahnsystem.
Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz sind der Schlüssel für eine höhere Kapazität und eine optimale Auslastung des Schienennetzes. Aufgabe der Digitalen Schiene Deutschland ist es, diese neuen Technologien in das System Bahn zu bringen. Diese Technologien werden zukünftig ebenso Grundlage für sicherheitsrelevante Bahnapplikationen sein. Dafür braucht es einen Technologiesprung in Bezug auf hochsichere, neue IT-Plattformen. Die DB Netz AG (DB) und Siemens Mobility GmbH (SMO) haben hierzu in einem gemeinschaftlichen Forschungsprojekt erstmals die grundlegende Architektur für ein „SIL4 Data Center“ erarbeitet, d.h. für IT-Infrastrukturen, auf denen sicherheitsrelevante Bahnanwendungen wie z. B. eine weiterentwickelte Leit- und Sicherungstechnik auf Basis des europäischen Zugsicherungssystem ETCS und digitalen Stellwerken oder Funktionen wie die sichere Hochpräzisionsortung von Zügen in Zukunft laufen sollen.
Eine wesentliche Prämisse war hierbei, dass die Plattform-Architektur eine klare, standardisierte Trennung von Applikation, Ablaufumgebung (sog. Runtime Environment) und Hardware vorgibt. So können die sehr unterschiedlichen Lebenszyklen der verschiedenen Hardware- und Softwarekomponenten berücksichtigt und unterstützt werden. Ebenso sollen die Plattformen weitestgehend auf seriengefertigten Commercial-off-the-Shelf (COTS) Komponenten basieren, eine starke Zentralisierung von Funktionen in wenigen Datenzentren ermöglichen und skalierbar sein. Nicht zuletzt sollen die Plattformen dahingehend flexibel sein, dass Anwendungen bei Bedarf zwischen Datenzentren portiert werden können.
Das Forschungsprojekt berücksichtigte dabei die Vorarbeiten zur generischen „Safe Computing Platform“ der Bahninitiativen „Reference CCS Architecture“ (RCA) und „Open CCS Onboard Reference Architecture“ (OCORA), fokussierte aber auf streckenseitige Datenzentren und ging signifikant über die Arbeiten in RCA und OCORA hinaus, z.B. mit einer detaillierten Erarbeitung von Lösungen zu georedundanten Datenzentren und Migrationsansätzen. Dort wird beschreiben, wie man z. B. von den digitalen Stellwerken, die sich aktuell im Rollout befinden, zur neuen Plattformarchitektur kommt.
Im Projekt konnte dargelegt werden, dass SIL4 Data Center gemäß den oben genannten Prämissen grundsätzlich realisierbar sind und zudem langfristig wirtschaftlich vorteilhaft erscheinen. Es wurden allerdings diverse Herausforderungen identifiziert, die überwunden werden müssen, z.B. in Bezug auf die Integration von Komponenten verschiedener Hersteller, deren Test und letztlich die Zulassung. Hierzu wurden konkrete mögliche Lösungswege aufgezeigt.
Die Ergebnisse der Kollaboration wurden in einem Übersichtsartikel in der Fachzeitschrift SIGNAL + DRAHT zusammengefasst sowie in einem umfangreichen Forschungsbericht dokumentiert. Die DB Netz AG bedankt sich an dieser Stelle für die angenehme und ergebnisreiche Zusammenarbeit mit der Siemens Mobility GmbH zu diesem wichtigen Fundament des digitalisierten Bahnbetriebs und freut sich auf die nächsten Schritte zu diesem Thema im Rahmen der Digitalen Schiene Deutschland!