European Train Control System (ETCS)
Das Zugbeeinflussungssystem European Train Control System (ETCS) ist Teil des European Rail Traffic Management System (ERTMS). Dabei handelt es sich um ein System der EU zur Harmonisierung des europäischen Eisenbahnverkehrs in den Bereichen der Zugbeeinflussung, des Zugfunks und der Verkehrssteuerung, das bis in die frühen 1990er Jahre zurückreicht.
Die Aufgabe liegt primär in der europaweiten Standardisierung der technischen Schnittstellen zwischen Infrastruktur und Fahrzeugen mit dem Ziel eines diskriminierungsfreien technischen Zugangs für Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zu den europäischen Schieneninfrastrukturen. Hierfür wird zusammenfassend der Begriff „Interoperabilität“ verwendet, also die Fähigkeit unterschiedlicher Systeme nahtlos zusammenzuarbeiten.
Ursprünglich lag der Fokus darauf, die Hochgeschwindigkeitsstrecken der einzelnen Länder auf einen übergreifenden europäischen Standard umzurüsten. Als Beispiele sind hier zu nennen:
- Neubaustrecke Erfurt–Halle/Leipzig (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8.2 (VDE 8.2)), sowie Neubaustrecke Erfurt – Unterleiterbach (VDE 8.1),
- Neubaustrecke Mailand–Rom,
- Neubaustrecke Kufstein–Innsbruck,
- Neubaustrecke Paris–Straßburg,
- Neubaustrecke Aachen–Brüssel und einige andere mehr.
Heute werden hingegen Projekte im konventionellen und Hochgeschwindigkeitsbahnnetz realisiert.
In den 2010er Jahren starteten in einigen EU-Ländern umfangreiche, zum Teil flächendeckende Ausrüstungsprojekte. Dabei wurden in diesen Regionen nicht nur Ausrüstungsverpflichtungen umgesetzt. Vielmehr resultierte der Impuls aus einem sicherheitsbedingten Modernisierungsbedarf für bestehende Altsysteme, wie es in der Schweiz und Luxemburg der Fall war oder aufgrund umfassender technischer Obsoleszenz in der gesamten Zugsicherungstechnik wie in Dänemark und Norwegen. Auch Deutschland befindet sich aktuell an der Schwelle zu einer solchen Obsoleszenz, also dem geplanten Erreichen des Lebensdauerendes der Zugsicherungstechnik. Gleichzeitig verändern sich die Anforderungen an das deutsche Bahnsystem aufgrund des Klimawandels und der angestrebten Verkehrswende. Diese sieht eine Verdopplung der Anzahl der Reisenden im Schienenpersonenfernverkehr sowie eine erhebliche Steigerung des Schienengüterverkehrsanteils am Modal Split vor.
ETCS und die Digitale Schiene Deutschland
Als Ergebnis dieser gesellschaftlichen Entwicklungen und der entsprechenden politischen Zielstellungen hat ETCS heute einen zentralen Platz im Rahmen der Digitalen Schiene Deutschland eingenommen. Gemeinsam mit digitaler Stellwerkstechnologie sowie integrierten Leit- und Bediensystem (iLBS) bildet das Zugbeeinflussungssystem ETCS die Basis für die Digitalisierung des deutschen Schienennetzes. Aus dem Zusammenspiel von modernster Stellwerkstechnik, angepassten Betriebsregeln, integrierter Bedienung sowie zentraler Diagnose entsteht ein Umfeld, das darauf abzielt, bestehende Zugbeeinflussungssysteme durch ETCS zu ersetzen. Dies hat zur Folge, dass sämtliche Fahrzeuge, welche die entsprechende Strecke befahren, mit ETCS ausgerüstet sein müssen. Es wird ein System geschaffen, das nicht nur die bisherigen Zielsetzungen wie „technische Interoperabilität“, „betriebliche Leistungsfähigkeit“ sowie „Modularität und Instandhaltbarkeit“ gleichzeitig erfüllt, sondern auch offene digitale Schnittstellen gewerkeübergreifend bereitstellt. ETCS wird in diesem spezifischen Umfeld ausschließlich im Level 2 auf Basis Baseline 3 eingesetzt, wobei die Funkdatenübertragung über GSM-R und dessen Erweiterungsstufe GPRS erfolgt.
Funktionsweise von ETCS
Die Freimeldung der Streckenabschnitte sowie die Sicherung der Fahrstraße erfolgen weiterhin durch das Stellwerk. Diese Informationen überträgt das Stellwerk über eine digitale Schnittstelle an die ETCS-Zentrale (Radio Block Center, RBC). Das RBC vergibt auf Grundlage dieser Daten und unter Berücksichtigung bekannter Streckeneigenschaften – wie abschnittsweise erlaubter Höchstgeschwindigkeit, Neigungen etc. – sowie der bekannten Positionen aller Züge im Zuständigkeitsbereich eine exklusive Fahrterlaubnis. Diese Erlaubnis wird bei ETCS Level 2 per Funk an das ETCS-Fahrzeuggerät im Zug übertragen. Das ETCS-Fahrzeuggerät wiederum berechnet aus dieser Fahrterlaubnis und den spezifischen Eigenschaften des Zuges (Länge, Bremsvermögen, etc.) für jeden Moment und Ort entlang der Fahrtroute die sichere maximale Geschwindigkeit und gewährleistet deren Einhaltung.
In engen Abständen übermittelt das ETCS-Fahrzeuggerät die jeweilige aktuelle Position entlang des Fahrwegs an das RBC. Die Positionsbestimmung erfolgt dabei auf Basis von im Gleis verbauten “Wegpunkten”, den sogenannten Balisen, deren genauer Ort dem RBC bekannt ist. Auf Grundlage dieser Position überwacht ETCS – bestehend aus dem ETCS-Fahrzeuggerät und dem RBC – permanent die Einhaltung der Fahrterlaubnis auf höchstem Sicherheitsniveau. Nachdem ETCS seit einigen Jahren in Europa entwickelt und implementiert wird, gibt es in den Ländern verschiedene Umsetzungen mit unterschiedlichen Funktionsumfängen. In Deutschland werden folgende Ausprägungen von ETCS eingesetzt:
- Level 1 in der Betriebsart „Limited Supervision“, auch ETCS signalgeführt (ESG) genannt: reduzierte Menge an Datenübertragung; ortsfeste Signale
- Level 2 mit Signalen: ortsfeste Signale
- Level 2 ohne Signale: keine ortsfesten Lichthauptsignale