European Train Control System (ETCS)
Das European Train Control System ETCS ist Teil des ERTMS – European Rail Traffic Management System –, eines Projektes der EU zur Harmonisierung des europäischen Eisenbahnverkehrs im Bereich der Zugbeeinflussung, des Funks und der Verkehrssteuerung, das bis in die frühen 1990er Jahre zurückgeht.
Aufgabe war und ist vor allem die Standardisierung der technischen Schnittstellen zwischen Infrastruktur und Fahrzeugen mit dem Ziel eines freien und vor allem diskriminierungsfreien technischen Zugangs für Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zu den europäischen Infrastrukturen. Hierfür wird allgemein zusammenfassend das Kunstwort „Interoperabilität“ verwendet.
Zunächst konzentrierte sich die Umrüstung auf einen europäischen Standart auf Neubaustrecken, auf denen ETCS inzwischen seine relative Reife unbedingt beweisen konnte. Beispiele sind:
- VDE 8.2 (2015), VDE 8.1 (2017) in Deutschland,
- Neubaustrecke Mailand-Rom,
- Neubaustrecke Kufstein-Innsbruck,
- Neubaustrecke Paris-Straßburg,
- Neubaustrecke Aachen-Brüssel und einige andere mehr.
Dennoch kamen in den 2010er Jahren in einigen Ländern umfangreiche, manchmal flächendeckende, Ausrüstungsprojekte in Gang. Dort war es nicht die Umsetzung von Ausrüstungsverpflichtungen, die dort Kräfte freigesetzt hat. Vielmehr waren es sicherheitsbedingter Modernisierungsbedarf für die bestehenden Altsysteme (Schweiz, Luxemburg) oder umfängliche technische Obsoleszenz der gesamten Zugsicherungstechnik (Dänemark, Norwegen). Aus verschiedenen Gründen steht auch die DB Netz AG an dieser Schwelle der technischen Obsoleszenz. Gleichzeitig verändern sich durch den Klimawandel, der geforderten Verkehrswende und eine hohen Steigerung des Fahrgastaufkommens im Fernverkehr die Ansprüche an das deutsche Bahnsystem.
ETCS und die Digitale Schiene Deutschland
Im Ergebnis dieser gesellschaftlichen Entwicklungen und entsprechender politischer Zielstellungen finden wir ETCS nun als einen wesentlichen Teil des Programms Digitale Schiene Deutschland wieder. In diesem Umfeld findet ETCS das geeignete systemische und Anwendungsumfeld, das eine kongeniale Nutzung der Technologie ermöglicht und somit auch attraktiv macht. Im Zusammenspiel mit dem Einsatz moderner Stellwerkstechnik, angepasster Betriebsregeln, integrierter Bedienung, zentraler Diagnose und vor allem mit Blick auf einen Einsatz von als Ersatz aller vorhandenen Zugsicherungssysteme mit der Folge, dass alle Fahrzeuge, die die entsprechende Strecke befahren, mit ETCS ausgerüstet sein müssen, kann ein Regime geschaffen werden, das den bisher widersprüchlichen Zielstellungen „technische Interoperabilität“, „betriebliche Leistungsfähigkeit“, „Modularität und Instandhaltbarkeit“ gleichzeitig entspricht und offene digitale Schnittstellen für weitere Mehrwertsysteme bietet. ETCS wird in diesem Umfeld ausschließlich im Level 2 in den ETCS-Systemversionen „Baseline 3 MR2“. eingesetzt, mit einer Funkdatenübertragung über GSM-R und seine Erweiterungsstufe GPRS.

Funktionsweise von ETCS
Die Freimeldung der Abschnitte sowie die Sicherung der Fahrstraße weiterhin durch das Stellwerk, die Informationen darüber werden über eine digitale Schnittstelle an die ETCS-Zentrale (Radio Block Center, RBC) übergeben. Das RBC vergibt unter Berücksichtigung dieser Daten, der bekannten statischen Streckeneigenschaften wie abschnittsweise erlaubter Höchstgeschwindigkeit, Neigungen etc. sowie der bekannten Positionen aller Züge im Zuständigkeitsbereich eine exklusive Fahrterlaubnis, die es per Funk an das ETCS-Fahrzeuggerät im Zug übermittelt. Dieses wiederum berechnet aus dieser Fahrterlaubnis und den Eigenschaften des Zuges (Länge, Bremsweg, etc.) für jeden Moment und jeden Ort entlang dieser Fahrterlaubnis die sichere Geschwindigkeit und sorgt für deren Einhaltung. In engen regelmäßigen Abständen übermittelt das Fahrzeuggerät seine aktuelle Position entlang des Fahrwegs an das RBC. Die Positionsbestimmung wird dabei in geeigneten Abständen durch fest im Gleis verbaute Meilensteine, den „Balisen“, deren genauer Ort sowohl dem RBC als auch dem Fahrzeuggerät, bekannt ist, kalibriert. Da in diesem Regime das ETCS-System bestehend aus dem Fahrzeuggerät und dem RBC auf maximalem Sicherheitsniveau für die Kompensation der relevanten Betriebsrisiken sorgt, wird der Triebfahrzeugführer davon entlastet.
Weitere Vorteile von ETCS
Infolgedessen kann auf traditionelle Margen, die bisher in der Infrastruktur vorgesehen werden mussten, um evtl. fehlerhaftes Verhalten aufzufangen, sehr weitgehend verzichtet werden, v. a. die sog. Durchrutschwege hinter Halt zeigenden Signalen. Erst wenn auf eine zusätzliche Ausrüstung mit konventioneller Leitund Sicherungstechnik verzichtet wird, können kurze Durchrutschwege durch die Erleichterung gleichzeitiger Einfahrten und die Reduzierung der Anzahl der Fahrtausschlüsse ihren vollen Nutzen bringen. Dies sorgt für deutliche neue Freiheiten in der Optimierung des Betriebs auf vorhandener Gleistopologie. Ferner erlaubt ETCS im Level 2 die Nutzung sog. Teilblöcke, bis hin zu Hochleistungsblöcken, die die Zugfolge insb. im Bereich von Geschwindigkeitswechseln und im Mischverkehr erheblich optimieren, beim Verzicht auf physische Signale und Doppelausrüstung mit PZB auch und vor allem dort, wo sich ehedem Durchrutschwege befanden