Europas Bahnsystem der Zukunft
Digitale Schiene Deutschland bringt Technologien für ein digitales Bahnsystem in das EU-Rail-Innovationsprogramm ein
Die Digitale Schiene Deutschland (DSD) ist Mitglied der Europe’s Rail Joint Undertaking (EU-Rail), einer Technologieinitiative, die 2021 vom Europäischen Rat im Rahmen des EU-Innovationsprogramms „Horizon Europe“ ins Leben gerufen wurde. Im Einklang mit dem Green Deal der EU-Kommission arbeiten Bahn- und Netzwerkbetreiber, Industrieunternehmen sowie Forschungseinrichtungen gemeinsam an der Digitalisierung und Automatisierung des Schienenverkehrssektors in Europa.
Die Vision von EU-Rail ist eine „Single European Railway Area“ mit einem leistungsstarken, interoperablen europäischen Eisenbahnnetz. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Potenziale von Digitalisierungs- und Automatisierungstechnologien genutzt, um die Kapazitäten des Schienenverkehrs zu erhöhen, die Flexibilität und Zuverlässigkeit zu steigern sowie die Kosten zu senken. Das Vorhaben basiert auf einer von der Branche gemeinsam genutzten funktionalen Systemarchitektur, die in Abstimmung mit der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) entwickelt wird. Mit an Bord sind die Zukunftstechnologien der Digitalen Schiene Deutschland, wie der zukünftige Zugfunk „FRMCS“, das Advanced Protection System (APS) – als nächste Generation von Zugsicherungstechnologien – sowie das hoch- und vollautomatisierte Fahren (Automatic Train Operations, ATO).
EU-Rail basiert auf zwei Säulen: dem System Pillar und dem Innovation Pillar (siehe Abbildung 2). Aufgabe des System Pillars ist es, durch einen kohärenten und koordinierten Ansatz die Weiterentwicklung des Bahnsystems zu unterstützen. Dies basiert auf einem Systemarchitekturansatz, der eine europaweite interoperable und modulare technische Ausrüstung von Fahrzeugen und Strecken mit digitaler Leit- und Sicherungstechnik (ATO, Zugfunk FRMCS etc.) ermöglicht. Der System Pillar verfügt über ein Fördervolumen von ca. 50 Mio. Euro.
Der Innovation Pillar umfasst Forschungs- und Entwicklungsprojekte und hat die Aufgabe, betriebliche und technologische Lösungen zu entwickeln. Die durchgeführten Aktivitäten zielen auf groß angelegte Demonstrationsprojekte ab und umfassen Technologien aller Reifegrade sowie explorative Forschung. Den 30 teilnehmenden Partnern steht hierbei ein Fördervolumen von insgesamt 550 Mio. Euro zur Verfügung (siehe Abbildung), wobei der Deutschen Bahn als Gründungsmitglied ein Projektvolumen von 55,4 Mio. Euro in Aussicht gestellt wurde (2022 bis 2030). Die Umsetzung der Entwicklungsprojekte erfolgt in sieben Themenbereichen, den sogenannten Flagship Areas. Die Digitale Schiene Deutschland (DSD) beteiligt sich dabei hauptsächlich an Flagship Area 2. Darin wird der Grundstein für einen autonomen Zugbetrieb gelegt, indem die technischen Voraussetzungen für Automatisierungsprozesse in Europa definiert werden.
R2DATO – Digital & Automated Train Operations
Das R&D-Projekt Digital & Automated Train Operations (R2DATO) wird von SNCF und Hitachi geleitet. Außerdem beteiligt sich die DB in der Flagship Area 1 „Motional“ und der Flagship Area 3 „iam4Rail“. In diesem Projekt werden sechs von 48 Arbeitspaketen durch die Digitale Schiene Deutschland (DSD) geleitet und durchgeführt. Bis zum Ende der Projektlaufzeit von R2DATO Phase 1 von FA 1 im Jahr 2026 steht die Gesamtentwicklung hin zu automatisiertem Zugverkehr (ATO) im Fokus. Es sollen konkrete Ergebnisse zu wesentlichen ATO-Schlüsselthemen erzielt werden. Ein zentraler Bestandteil des Projekts ist auch die Entwicklung der nächsten Generation von Zugsicherungstechnologien und die Einführung von skalierbaren, automatisierten bis hin zu autonomen Zugbetriebsmodellen. Dazu zählen die Implementierung eines Future Railway Mobile Communication Systems (FRMCS), ein Digitales Register, eine standardisierte Informations- und Kommunikationstechnologie-Plattform (IKT-Plattform) für Fahrzeuge sowie der Aufbau eines ETCS-Level 3 Moving Block Demonstrators auf Basis eines Advanced Protection Systems (APS). Diese Technologien spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung von ATO und werden deshalb mit betrachtet.
Schwerpunkt ist hier die Erprobung der Moving Block Operationen bis zum Technologiereifegrad 6 (TRL 6), also die Erstellung eines Prototyps. Das Hauptziel ist die Machbarkeitsdemonstration einer neuen Architektur, die bereits standardisierte Schnittstellen wie ETCS und EULYNX des System Pillars nutzt. Diese Architektur ersetzt die herkömmliche blockbasierte Steuerungslogik durch eine zugorientierte Sicherungslogik. Weitere Schwerpunkte sind unter anderem die Validierung eines generischen Sicherheitslogikkonzepts und die Kompatibilität mit dem ETCS-System. Ein hybrider Lokalisierungsansatz kombiniert streckenseitige Sensoren und bordseitige Technologien zur präzisen Überwachung der Streckenbelegung. Zudem wird die Weiterentwicklung der Ergebnisse aus vorangegangenen Projekten bis hin zu einer standardisierten Schnittstelle zwischen Fahrzeugmanagementsystem (TCMS, Train Control Management System) und ATO/ETCS sowie die Arbeit an einer modularen Onboard-Plattform für Fahrzeuge fokussiert.
Mit diesen Beiträgen zu EU-Rail spielt die Digitale Schiene Deutschland eine führende Rolle bei der Gestaltung zukünftiger fahrzeugseitiger Plattformtechnologien und zukünftiger streckenseitiger Sicherungssysteme. Durch den Aufbau eines europäischen Netzwerks zwischen Industrie- und Bahnunternehmen entstehen Schnittstellen zur detaillierten Abstimmung notwendiger Subsysteme und technologischen Lösungen.
Insbesondere für das DSD-Produktportfolio eröffnet sich daraus die Möglichkeit, Komponenten und Schnittstellen von Beginn an europäisch zu standardisieren. Zudem hat die Weiterentwicklung zentraler Themen wie Lokalisierung, Zugintegrität, Moving Block und Digitales Register einen strategischen Nutzen für die DB InfraGO AG. Diese Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Rahmen von R2DATO sind entscheidende Bausteine zur Erreichung der Ziele der DSD.
Ausblick und Fazit
R2DATO befindet sich aktuell in der Umsetzung. Wichtige DSD-Demonstratoren werden aufgebaut und 2025 getestet. Die daraus resultierenden Ergebnisse liefern Erkenntnisse über die technische Machbarkeit und legen den Grundstein für die Weiterentwicklungen in Richtung Harmonisierung und Implementierung. Gleichzeitig befindet sich das Projektteam bereits in der Planung und Ausgestaltung der nächsten Projektwelle von EU-Rail, die das Nachfolgeprojekt von R2DATO für 2026 bis 2029 beinhaltet. Gemeinsam mit dem DB-Konzern, DB Cargo und weiteren Stakeholdern werden zukunftsweisende Technologien analysiert und in das Konsortium eingebracht. Die Ausrichtung dabei ist klar: Jedes Projekt, jede Spezifikation und jede Demonstration bringt die Vision näher, ein hochentwickeltes, leistungsfähiges und europäisch einheitliches Bahnsystem zu schaffen.
Die wesentlichen Bestandteile des Projektes im Überblick
- Zugorientiertes System für sichere Streckenführung und Moving Block Operationen
Ein wichtiges Demonstratorenprojekt in R2DATO für die DSD ist der Moving Block Demonstrator. Hier wird eine zugorientierte Sicherungslogik erprobt, basierend auf den Konzepten der Advanced Digital Infrastructure (ADI), die unter anderem das Fahren im „Moving Block“ ermöglicht
- Ein Prototyp für hochautomatisierte Zugsysteme
Der Onboard Platform Demonstrator setzt die Referenzimplementierung einer fahrzeugseitigen Rechenplattform um. Auf ihr werden Beispielanwendungen mit geringen bis sehr hohen funktionalen Sicherheitsanforderungen integriert. Neben der modularen Rechenplattform demonstriert das Arbeitspaket außerdem Konzepte einer einheitlichen Plattformdiagnose sowie die Integration der Plattform mit FRMCS-Kommunikationsfunktionen zur Strecke
- Digitales Register: Ein Schlüssel zur Zukunft des automatisierten Bahnverkehrs
Die vom Digitalen Register bereitgestellten Infrastrukturdaten sollen im zukünftigen automatisierten Bahnbetrieb in den Stufen GoA2 bis GoA4 allen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) gleichermaßen zur Verfügung gestellt werden. Aus diesem Grund ist es notwendig, das zugrunde liegende Datenmodell und die Schnittstellen der Systeme europaweit zu standardisieren.
- Modulare und sichere Computerplattformen
Das Arbeitspaket realisiert eine Referenzimplementierung einer modularen und sicheren Computerplattform, bei der die fahrzeugseitigen Onboard-Komponenten (z. B. ETCS Onboard Unit, ATO Onboard Unit) sowie infrastrukturseitige Applikationen (Data Center, TSO) spezifiziert werden. Dabei werden funktional sichere Applikationen in einer Laborumgebung integriert (und über FRMCS angebunden). Die dabei entstehende Plattform soll sicherheitsrelevante und nicht-sicherheitsrelevante Funktionen hosten.
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