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Bei einer Präsentation von AutomatedTrain. Links ist die das Sensorbox-Design von Siemens Mobility zu sehen und rechts der Vehicle-Data-Logger (VDL)
03.09.2025

AutomatedTrain: Florian Reiniger über die Data Factory – das Herzstück eines vollautomatisierten Bahnverkehrs

Die Entwicklung der Umfeldwahrnehmung für vollautomatisiertes Fahren auf der Schiene erfordert enorme Mengen an Sensordaten – sowohl für die Entwicklung als auch die Verifikation der eingesetzten Algorithmen. Doch wie lassen sich diese Daten effizient erfassen, speichern und verarbeiten? 

Ein Schlüsselprojekt in diesem Bereich ist AutomatedTrain. Ziel des Projekts ist es, die Spezifikation, prototypische Umsetzung sowie Erprobung des automatisierten Auf- und Abrüstens und des fahrerlosen Bereit- und Abstellens von Zügen zu demonstrieren.

Eine zentrale Rolle spielt dabei die Data Factory, die hochwertige Sensordaten sammelt, verarbeitet und bereitstellt. Wir sprechen mit Florian Reiniger über die Bedeutung dieser Technologie. Er ist Projektmanager innerhalb der Data Factory und Product Owner des Vehicle Data Loggers bei der DB InfraGO.

 

Florian, welche Rolle spielt die Data Factory im Projekt AutomatedTrain?

Mit AutomatedTrain legen wir wichtige Grundlagen für die industrielle Entwicklung serienreifer Systeme für das vollautomatisierte Fahren auf der Schiene und zeigen, dass eine vollautomatisierte, fahrerlose Bereitstellungs- und Abstellungsfahrt technisch möglich ist. Dafür werden im Projekt zwei unterschiedliche Züge mit modernster Sensorik ausgestattet, um eigenständig und sicher zu erkennen, ob der sichtbare Fahrweg frei von Objekten und Hindernissen ist. 

Hier kommt die Data Factory ins Spiel: Sie stellt sicher, dass die aufgezeichneten Sensordaten effizient erfasst, gespeichert, verarbeitet und bereitgestellt werden. Ohne eine strukturierte und effiziente Datenverarbeitung wäre es nicht möglich, KI-Modelle für den vollautomatisierten Bahnverkehr zu trainieren und zu validieren.

 

Wie funktioniert die Data Factory technisch im Projekt AutomatedTrain?

Die Data Factory ist ein Datenökosystem, das aus Hardware, Software und Daten-Assets besteht. Eine vollständige Übersicht über alle Komponenten ist auf der Projektseite der Data Factory zu finden.

Für AutomatedTrain kommen insbesondere folgende Komponenten zum Einsatz:

  1. Der Vehicle Data Logger ist direkt auf dem Zug installiert und erfasst kontinuierlich Sensordaten von dem AutomatedTrain Sensor-Setup während der Fahrt – von Kamerabildern bis hin zu Radar- und Lidar-Daten. Durchschnittlich werden pro Sekunde 1,5 GB Sensordaten aufgezeichnet, qualitätsgeprüft und lokal gespeichert. Die Daten werden zudem signiert, um die Integrität zu gewährleisten und Manipulationen auszuschließen. 
     
  2. Der Data Touchpoint dient als Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Infrastruktur. Sobald der Zug seine Fahrt beendet hat, überträgt der Vehicle Data Logger die gesammelten Daten automatisch und drahtlos an den in der Nähe installierten Touchpoint.
     
  3. Das Data Center hält die Daten bereit, verwaltet sie und stellt sie den Projektpartnern zur Verfügung. Sie können im Data Center eingesehen, durchsucht und für die Annotation – also die Kennzeichnung und Beschreibung – sowie für das Training von KI-Modellen vorbereitet werden.
     

Dieses Datenökosystem ist für das Projekt AutomatedTrain essenziell, da es die notwendige Datenbasis für die Entwicklung und Erprobung der vollautomatisierten Steuerungssysteme liefert.

Wird es für Unternehmen oder Forschungsprojekte die Möglichkeit geben, auf die Daten aus der Data Factory zuzugreifen?

Ja, interessierte Unternehmen, Forschungsinstitute und Entwickler können sowohl auf die Open Data Sets als auch die GoA4-Data Sets zugreifen, die über die Sektorinitiative Digitale Schiene Deutschland angeboten werden. Der erste öffentlich verfügbare Multisensordatensatz OSDaR23 steht kostenlos zum Download bereit (hier). Für die GoA4-Data Sets bieten wir eine lizenzierte Nutzung an. Diese enthalten umfangreiche, multimodale Sensordaten inklusive Annotationen, die speziell für die Entwicklung und Validierung im Bahnverkehr aufbereitet wurden.

Der Vehicle Data Logger ist speziell für den Einsatz im Bahnsektor entwickelt und ermöglicht eine zuverlässige Erfassung und Speicherung großer Datenmengen. Wer Interesse an den Produkten hat, findet auf der Projektseite weitere Informationen.

 

Welche Vorteile hätte der Einsatz der Data Factory im Bahnsystem?

Die Data Factory liefert die grundlegende Datenbasis für die vollautomatisierte Fahrt. Diese kann schrittweise erweitert werden: Weitere Fahrzeuge mit Hinderniserkennungssystemen können an die Data Factory angebunden werden. So entsteht ein einheitlicher, synchronisierter Datenpool mit Multisensordatensätzen. AutomatedTrain zeigt bereits heute, dass die Technologie einsatzfähig ist – und mit den richtigen Daten auch über das Projekt hinaus weiterentwickelt werden kann.

 

Wie weit ist das Teilprojekt Data Factory bisher fortgeschritten und welche Meilensteine folgen nun im Gesamtprojekt AutomatedTrain?

Aktuell befinden wir uns in der Erprobung und Weiterentwicklung des Vehicle Data Loggers auf unserem Dynamic Mock Up – einem Testträger, der in der Havelländischen Eisenbahn in Berlin-Spandau im Einsatz ist und das spätere Testfahrzeug BR430 simuliert. Dort werden bereits ersten Sensordaten aufgezeichnet. Auch die drahtlose Datenübertragung zum Touchpoint funktioniert erfolgreich. Parallel dazu wird der Logger in akkreditierten Laboren getestet, um bis Ende des dritten Quartals 2025 alle notwendigen Zertifizierungen zu erhalten.

Ein wesentlicher Meilenstein für das gesamte AutomatedTrain-Projekt ist der Umbau beider Testfahrzeuge (Mireo von Siemens Mobility und die BR430 der S-Bahn Stuttgart von Alstom) bis voraussichtlich September 2025. Bereits im Mai dieses Jahres begann die Fahrzeugintegration auf der BR430, bei der alle Komponenten des Vehicle Data Loggers eingebaut werden.

Der nächste große Schritt ist die Inbetriebnahme des Touchpoints in Esslingen, die für Ende 2025 geplant ist. Ab Januar 2026 wird das Testfahrzeug BR430 im Stuttgarter S-Bahn-Netz unterwegs sein. Die dabei täglich aufgezeichneten Sensordaten werden dann automatisch über den Touchpoint ins Data Center übertragen und dort für weitere Analysen und Anwendungen bereitgestellt.

Nach dem erfolgreichen Abschluss des Projektes können die Industriepartner auf Grundlage der erzielten Ergebnisse unmittelbar mit ihren Serienentwicklungsphasen starten. Die Digitale Schiene Deutschland hat damit wichtige Impulse in den Sektor gesendet und den Grundstein gelegt, dass entsprechende Systeme bereits in naher Zukunft von Eisenbahnverkehrsunternehmen bei der Industrie bestellt werden könnten.

 

AutomatedTrain wird gefördert durch die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union. Zuwendungsgeber sind das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages sowie die Europäische Union.