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Betriebliches Regelwerk

Richtlinienfamilie 400

Um einen sicheren Bahnbetrieb zu gewährleisten, gibt es Regelwerke, die die grundsätzliche Durchführung von Fahrten regeln. Bei der DB InfraGO ist dies die Richtlinienfamilie 408. Die flächendeckende Einführung von ETCS Level 2 ohne Signale (ETCS L2oS) bietet nun die einmalige Chance, Kernprozesse des Bahnbetriebs neu zu denken und die bisherigen betrieblichen Regelwerke anzupassen. Mit der neuen Fahrdienstvorschrift für den digitalen Bahnbetrieb (Ril 400) kann die Komplexität betrieblicher Regeln reduziert und deren Nutzerfreundlichkeit signifikant gesteigert werden. Insgesamt bildet die Ril 400 ein zeitgemäßes betriebliches Regelwerk für die Digitale Schiene Deutschland. Dafür wurden folgende Prämissen festgelegt: 

  • Schutzziel- und Prozessorientierung 

  • Komplexitätsreduktion durch Fokus auf aktuelle Technik (ETCS L2oS) 

  • Ausschließlich digitale Darstellung des Regelwerks 

 

 

Schutzziel- und Prozessorientierung 

 

Ziel des Projekts ist die Erstellung einer neuen, prozess- und schutzzielorientierten Fahrdienstvorschrift, die auf die Technologien des digitalen Bahnbetriebs fokussiert ist. Während das bisherige Regelwerk der DB einen handlungsorientierten Ansatz verfolgt, zielt der schutzzielorientierte Ansatz darauf ab, die Anwender:innen stärker in die Prozesse einzubeziehen und das Systemverständnis zu fördern. Dafür wurden 6 Schutzziele des Bahnbetriebs entwickelt, die aktuell in ein eigenes Regelwerk überführt werden. Die Ril 400, die ausschließlich digital verfügbar sein wird, erleichtert Aktualisierungen und ermöglicht eine personalisierbare Darstellung. Der Prozess einer Fahrt steht im Zentrum und bildet das Fundament des Regelwerks. Aus diesem Prozess wurde ein Strukturprozess erarbeitet, der gleichzeitig die Startseite und das Inhaltsverzeichnis der Ril 400 bildet. In den einzelnen Regeln wird die Kommunikation und Interaktion der Beteiligten und technischer Systeme durch eine prozessuale Darstellung veranschaulicht: 

Validierung der neuen Regeln mit der „Serious Gaming“ Methode  

Zur Validierung der entwickelten Regeln nutzen wir u. a. die Methode "Serious Gaming". Sie wird bereits in vielen Bildungsbereichen erfolgreich eingesetzt, um Inhalte anschaulich zu vermitteln. Unser Serious Gaming ist ein Planspiel, bei dem verschiedene betriebliche Szenarien der Ril 400 durchgespielt werden. Die Teilnehmenden nehmen dabei abwechselnd die Rollen von Fahrdienstleitenden und Triebfahrzeugführer:innen ein und nutzen eine mobile Modellbahnanlage. In über 80 ganztägigen Workshops, darunter 21 mit zukünftigen Endanwender:innen, hat sich diese Methode zur Evaluierung und Verbesserung des betrieblichen Regelwerks bewährt. Das Feedback der Teilnehmenden ist dabei durchweg positiv. 

 

Inkraftsetzung und internationale Zusammenarbeit 

Neben dem intensiven Verproben der Regeln konnten sich bereits zahlreiche nationale und internationale Stakeholder von den Vorteilen der Ril 400 überzeugen und wertvolles Feedback geben. Dadurch konnten Bedenken frühzeitig berücksichtigt werden. International wurde die Ril 400 bereits verschiedenen Akteuren wie ERJU System Pillar, EUG, SNCF Réseau und Správa železnic vorgestellt. Weitere Workshops u. a. mit Renfe, Prorail, PLK und SBB sind geplant. Wir verfolgen dabei das Ziel, die betrieblichen Regeln für ETCS intensiver als bisher mit unseren europäischen Partnerorganisationen zu diskutieren und weiter zu harmonisieren. 

Mit Stand Mitte 2024 ist die inhaltliche Erarbeitung der Regeln fast abgeschlossen. Vor dem Einsatz der Ril 400 stehen jedoch noch Meilensteine wie die Entwicklung der IT-Anwendung, die Erstellung eines Qualifizierungskonzeptes, eines Bedienregelwerkes und eines Sicherheitsnachweises an. Anschließend durchläuft die Ril 400 das Beteiligungsverfahren für Regelwerk bei der DB InfraGO, bevor sie ab Dezember 2027 erstmals auf einer Strecke zum Einsatz kommen kann.