Sensors4Rail
Im Projekt Sensors4Rail wurde erstmalig ein integriertes System aus sensorbasierter Umfeldwahrnehmung, Lokalisierung und Digitaler Karte erprobt. Dadurch ist die Erkennung von Hindernissen möglich - eine wichtige Voraussetzung für das zukünftige vollautomatisierte, fahrerlose Fahren. |
Unsere Partner
Sensors4Rail startete als gemeinschaftliche Entwicklungs- und Innovationskooperation zwischen der Sektorinitiative Digitale Schiene Deutschland und Industriepartnern verschiedener Branchen, welche im Rahmen einer Ausschreibung im Jahre 2019 für das Projekt gewonnen werden konnten. Im Projektkonsortium verantwortete die Deutsche Bahn das Projektmanagement, stellte Fahrzeug und Strecke bereit sowie die Arbeitspakete IT Security, Fahrzeugengineering und Fahrzeugumbau. Siemens Mobility verantwortete die Arbeitspakete Lokalisierung sowie Test und Integration. Bosch Engineering und MicroVision verantworteten in Kollaboration das Arbeitspaket Umfeldwahrnehmung und HERE Technologies das Arbeitspaket Digitale Karte. Im Dauertestbetrieb ab 2022 übernahm die Deutsche Bahn zusätzlich die Themen Test und Integration sowie Datenmanagement.
Video: Das Erfolgsprojekt Sensors4Rail
Systemübersicht
Als Grundlage des Sensors4Rail-Systems dient ein Fahrzeug aus der zweiten Bauserie der Baureihe 472 (472 061), welches mit moderner Sensortechnologie und leistungsfähigen Netzwerk- und Rechnereinheiten ausgestattet wurde. Für die Test- und Demonstrationsfahrten in Hamburg trat die DB Systemtechnik als EVU (Eisenbahnverkehrsunternehmen) auf und stellte sowohl Versuchsleiter:innen als auch Triebfahrzeugführer:innen.
Neben dem Fahrzeug und der darauf installierten Hardware ist eine DB-interne Cloudumgebung (DB modular Cloud) Teil des Sensors4Rail-Systems. Diese ist für die Lokalisierung des Zugs notwendig. Dafür werden wichtige betriebliche Daten in hoher Frequenz gesammelt (z. B. Positionsdaten oder Hindernisse im Gleis) und über eine Cloudschnittstelle bereitgestellt. Für die Kommunikation zwischen Cloud und Zug sorgte in diesem Projekt eine priorisierte LTE/4G Verbindung des Partners Vodafone. Die Daten können dazu benutzt werden, um Störungen schneller zu bearbeiten und die Zugdisposition zu optimieren. Das macht den Bahnverkehr flüssiger, zuverlässiger und steigert die Streckenkapazität. Nicht dargestellt ist die separat entwickelte, infrastrukturseitige Data Factory der Digitalen Schiene Deutschland, welche die im Projekt erfassten Daten aufnimmt und für Analysen und weitere Projekte bereitstellt.
Projektumsetzung und Fahrzeugintegration
Eine wichtige Voraussetzung für den Probebetrieb des Sensor4Rail-Systems war die Rückwirkungsfreiheit zu bestehenden Systemen, wie etwa der Fahrzeugsteuerung oder Leit- und Sicherungstechnik. Der oder die Triebfahrzeugführer:in blieb somit in diesem ersten Erprobungsschritt noch in voller Verantwortung für die Beobachtung und Durchführung der Fahrt. Zukünftig werden allerdings technische Systeme die Streckenbeobachtung und Gefahreneinschätzung übernehmen. Eine besondere Herausforderung im Projekt Sensors4Rail lag in der Fahrzeugintegration der neuen Hardware-Komponenten. Zu diesen gehören neben Sensoren wie Kameras, Radar (radio detection and ranging - frei übersetzt „funkgestützte Ortung und Abstandsmessung“) und Lidar (light detection and ranging - frei übersetzt „lasergestützte Ortung und Abstandsmessung“) auch hoch performante Serversysteme mit mehreren GPUs (graphics processing unit – Grafikprozessoren), ein Datenspeicher und die Verwendung eines 10Gbit-Netzwerks zur Datenübertragung zwischen den Komponenten – vieles davon erstmalig im Einsatz im Bahnbetrieb.
Insgesamt wurden für den Sensors4Rail-Prototypen auf einer Zuglänge von 60 m etwa 4,3 km Kabel verlegt sowie 45 spezielle Hardwarekomponenten und 3.500 Kleinteile verbaut. Diese Zahlen zeigen eindrucksvoll, was notwendig war, um erstmals ein integriertes System aus Umfeldwahrnehmung, Lokalisierung und Digitale Karte auf einer S-Bahn in Echtzeit zu demonstrieren.
Erfahren Sie mehr zum Umbau des Sensors4Rail-Projektfahrzeuges im Video
Zugfront des Projektfahrzeuges Sensors4Rail
Deutlich sichtbar sind die Sensoren für die Umfeldwahrnehmung an der Fahrzeugfront: vier Radare, vier Kameras (davon drei im sichtbaren Spektralbereich und eine im mittleren Infrarot) sowie sechs Lidar-Sensoren. Nicht sichtbar ist die innenliegend neben den Lidar-Sensoren verbaute Inertiale Messeinheit zur Bestimmung der Eigenbewegung des Fahrzeugs.
Der Innenraum
Im Fahrzeuginneren befinden sich die hoch performanten Serversysteme mit mehreren Grafikprozessoren (GPUs - graphics processing unit), ein Datenspeicher und ein 10Gbit-Netzwerk zur Datenübertragung zwischen den Komponenten – vieles davon erstmalig im Einsatz im Bahnbetrieb.
Durch die Integration der drei Subsysteme Umfeldwahrnehmung, Lokalisierung und Digitale Karte wurden im Projekt Sensors4Rail die folgenden sechs Use Cases prototypisch implementiert und erprobt:
- Landmarkenerkennung: Detektion von Landmarken und Abgleich mit der Digitalen Karte für eine genaue Positionsbestimmung der Zugfront.
- Zugdetektion: Detektion und Klassifizierung von Zügen auf den Nachbargleisen, damit diese nicht als Gefahr oder Hindernis identifiziert werden.
- Personendetektion: Detektion, Klassifizierung und Positionierung von Personen auf dem Bahnsteig, um im Notfall reagieren zu können.
- Gleiserkennung: Detektion des eigenen Gleisverlaufs und der Nachbargleise sowie ein Abgleich mit der digitalen Karte, um Objekte relativ zum Gleisverlauf positionieren zu können.
- Konsolidierte Zugfrontposition: Fusion aller Lokalisierungs- und Weginformationen zu einer konsolidierten Position auf dem Gleis für eine hochpräzise Echtzeitlokalisierung - ohne zusätzliche Infrastrukturelemente
- Gleisfreiraumerkennung: Eine Überwachung des Volumens innerhalb und außerhalb des Lichtraumprofils des eigenen Gleises und des Nachbargleises dient dazu, auf unbekannte Hindernisse reagieren zu können.
Dauertestbetrieb und Datentransfer in die “Data Factory” der Digitalen Schiene Deutschland
In der von Januar 2022 bis Juni 2023 laufenden zweiten Phase des Projektes wurde das Testgebietes auf weitere Strecken im Hamburger S-Bahn-Netz ausgeweitet. Hierbei konnten wertvolle Erkenntnisse über die Performance der Funktionen in unterschiedlichen Szenarien, Umgebungsbedingungen und Streckenabschnitten gewonnen werden. Die Rohdaten der Sensoren dienen als Grundlage für die fortwährende Weiterentwicklung des Systems durch ein wiederholtes Training der verwendeten neuronalen Netze. Sie sind erforderlich, um eine künstliche Intelligenz auf das fahrerlose, vollautomatisierte Fahren (GoA4) vorzubereiten. Diese Sensordaten wurden zusammen mit Funktionsdaten des Systems und zusätzlichen Diagnosedaten in die “Data Factory” der Digitalen Schiene Deutschland eingespielt.
Erfahren Sie mehr über die generellen Ziele und die Kooperationspartner im Video:
Neben den bereits erläuterten Projektzielen stand ebenso die Live-Demonstration der Projektergebnisse auf dem ITS-Weltkongress 2021 in Hamburg im Fokus. Dabei war die besondere Herausforderung, die sehr technischen Inhalte in einer solchen Art zu visualisieren, dass die Funktionsweise sensorbasierter Wahrnehmungssysteme verstanden und gleichzeitig für die Messebesucher:innen erlebbar werden. Basierend auf einer modernen Grafikumgebung wurde ein virtuelles Abbild der Realität geschaffen und mit den Live-Daten des Sensor4Rail-Systems gespeist.
Erfahren Sie mehr zur Projektvorstellung auf dem ITS Weltkongress im Video:
Am 6. April 2023 wurde das Sensors4Rail-Testfahrzeug "Santana" aus Hamburg nach Berlin Spandau zur Havelländischen Eisenbahn (HVLE) überführt und anschließend außer Betrieb gesetzt. Mit diesem Schritt wurde die 15-monatige Test- und Datensammlung im Netz der S-Bahn Hamburg und damit die letzte Phase des Projektes erfolgreich abgeschlossen. Nach einer Laufzeit von insgesamt vier Jahren ist Sensors4Rail, eines der bislang erfolgreichsten Forschungs- und Entwicklungsprojekte der Digitalen Schiene Deutschland, beendet. Die gesammelten Erkenntnisse aus den einzelnen Projektphasen sowie die Daten aus den Versuchsfahrten fließen nun in die Spezifikation und Entwicklung der nächsten Generation von sensorbasierter Umfelderkennung, Lokalisierung und Digitaler Karte ein. Gemeinsam bilden diese Funktionalitäten für den Bahnsektor eine wichtige Grundlage für das vollautomatisierte Fahren auf der Schiene.
Nähere Informationen über den Projektabschluss und gesammelte Erkenntnisse finden Sie hier.
Aufbauend auf den Erkenntnissen Sensors4Rail und Digitale S-Bahn Hamburg ist das Forschungs- und Entwicklungsprojekt AutomatedTrain im Juli 2023 gestartet. In dem Projekt wird bis einschließlich 2026 die vollautomatisierte Bereitstellungs- und Abstellungsfahrten von Zügen getestet.
Fachartikel
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Sensors4Rail: Ein Erfolgsprojekt ist zu Ende | September 2023
Dieser Artikel berichtet über das erfolgreich abgeschlossene Entwicklungsprojekt Sensors4Rail: Unter anderem darüber, wie sensorbasierte Wahrnehmungssysteme der Automobilindustrie auf den Zug gebracht wurden und der umfassendste Multi-Sensordatensatz im Bahnsektor entstanden ist.
Erschienen in: Der Eisenbahningenieur
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Artikel in "Deine Bahn" | Digitale Schiene Deutschland testet erstmals sensorbasierte Wahrnehmungssysteme im Bahnbetrieb | 04/22
Zusammen mit namhaften Partnern aus der Industrie unternimmt die Deutsche Bahn im Rahmen der Sektorinitiative Digitale Schiene Deutschland im Projekt Sensors4Rail einen ersten Schritt zur Entwicklung und Erprobung eines integrierten Systems aus sensorbasierter Umfeldwahrnehmung, Lokalisierung und einer Digitalen Karte.
Quelle: Deine Bahn
Videos
Sensors4Rail: Ein Erfolgsprojekt geht zu Ende
Nach einer Laufzeit von insgesamt vier Jahren ist Sensors4Rail, eines der bislang erfolgreichsten Forschungs- und Entwicklungsprojekte der Digitalen Schiene Deutschland, beendet. Das Video gibt einen Eindruck über das Vorhaben und Ziele sowie über Umsetzung und Nutzen des Erfolgsprojekts Sensors4Rail.
ITS Weltkongress 2021: Premiere für Sensors4Rail
Der ITS Weltkongress 2021 in Hamburg bedeutete die Premiere für Sensors4Rail: Zum ersten Mal fuhr das ausgestattete Testfahrzeug im Rahmen von Sonderfahrten auf der 23 Kilometer langen Strecke der Linie S21 zwischen Hamburg-Berliner Tor und Bergedorf und testete die sensorbasierten Wahrnehmungssysteme live im Zugbetrieb.
Umbau des Projektfahrzeuges im Pilotprojekt Sensors4Rail
Um die innovative Technik im Projektfahrzeug zu verbauen und das Fahrzeug für den ITS Weltkongress aufzuhübschen, musste einiges getan werden. Dieses kurze Video gewährt einen Blick hinter die Kulissen.
Das Projekt Sensors4Rail verstehen
Welche Ziele verfolgte das Kooperationsprojekt und welche Partner waren an Bord? In diesem Video erfahren Sie mehr über Sensors4Rail.
Sensors4Rail Live-Animation
Die Live-Animation zeigt, was die innovative Technik im und am Zug detektiert und wie sie den Zug lokalisiert.