
Auf den Spuren des zweiten Weltkriegs: Kampfmittelsondierung für den sicheren Bau eines Bedien- & Technikstandorts in Nürnberg
Bevor es mit dem Bau des neuen digitalen Bedien- und Technikstandorts im Nürnberger Stadtbezirk Tullnau richtig losgehen kann, steht für unser Projektteam der Digitalen Schiene Deutschland (DSD) noch eine wichtige Aufgabe an: die Baugrunduntersuchung. Um den Baugrund für die späteren Bauarbeiten punktuell sicher und zugänglich zu machen, müssen zunächst die Schrecken der Vergangenheit – die Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg – identifiziert werden. Für diese nicht ganz ungefährliche Aufgabe arbeitet das Projektteam mit Kampfmittel- und Sprengstoffspezialist:innen zusammen.
In der Nürnberger Tullnau werden im Rahmen der DSD ein neuer Bedienstandort (BSO) und ein neuer Technikstandort (TSO) errichtet. Beide Gebäude sind Teil der Betriebssteuerungsstrategie (BSS), nach der bundesweit 94 BSO und 52 TSO geplant und gebaut werden, um den Zugverkehr künftig moderner, dezentraler und flexibler steuern zu können.
Vor dem Baubeginn des BSO und TSO in der Nürnberger Tullnau steht das Projektteam vor einer wichtigen Herausforderung: Nach der genauen Standortwahl wurde in den vergangenen Wochen in einem ersten Schritt das Gelände gründlich untersucht und umfangreich gesichert. Die Verkehrsinfrastruktur – insbesondere in Bahnhofsnähe – war im Zweiten Weltkrieg immer wieder Ziel schwerer Angriffe. Nürnberg rückte dabei aufgrund seiner ideologischen Bedeutung für die Nationalsozialist:innen und seiner strategischen Lage besonders ins Visier der Alliierten. Für das Gelände in der Nürnberger Tullnau bedeutet dies, dass im Untergrund möglicherweise noch Gefahren wie z. B. Blindgänger, Bomben, Artillerie und Munition vorhanden sein können.
Vorsichtig bohren sich die Kampfmittelexperten in den Untergrund
In der Praxis läuft dies wie folgt ab: Die beauftragte Spezialfirma untersucht den Boden auf dem Gelände an vorher festgelegten Aufschlusspunkten. Als Grundlage nutzen die Expert:innen alte Luftbildaufnahmen aus dem Jahr 1945. Darauf sind Bombentrichter zu erkennen, die Aufschluss über potenziell gefährliche Bereiche auf dem Gelände geben können. Die ersten ein bis zwei Meter arbeiten die Sprengstoffspezialist:innen mit Georadar und Vorschachtungen, bevor dann der Bohrer in den weiteren Untergrund vorstößt.

„Die Kampfmittelspezialist:innen prüfen beim progressiven Bohren bis auf eine Tiefe von sechs Metern. Ausgangpunkt ist die Geländeoberkante nach den Bombardierungen von 1945. Mit einer Sonde, die einen Radius von 0,75 Metern hinsichtlich elektromagnetischer Einflüsse sicher bewertet, wird nach möglichen Fliegerbomben gesucht. Liegt ein Bohrpunkt im Bereich eines Bombentrichters, haben wir auch innerhalb dieses Trichters weitere Messungen durchführen lassen“, erklärt der zuständige Projektingenieur Patrick Marbach.
Kampfmittelsondierungen sind nicht ungefährlich, aber das geschulte Personal der Spezialfirma vor Ort weiß ganz genau, was zu tun ist und wie man mit dem Risiko richtig umgeht. Bei den bisherigen Bohrungen wurde keine Fliegerbombe gefunden.
„Die Erkenntnisse fließen später in die Ausführungsplanung ein. Dabei versuchen wir, die gesicherten und freigemessenen Flächen aus der aktuellen Baugrunduntersuchung bestmöglich in ein Raster zu integrieren, so dass wir dann die komplette Baufläche sicher auf Kampfmittel absuchen können“, so Patrick Marbach weiter.
Dank der Kampfmitteluntersuchung kann das Projektteam im nächsten Schritt den Baugrund untersuchen. Dabei wird unter anderem die Bodenbeschaffenheit genauer untersucht: Wie tragfähig ist der Untergrund? Wie steht es um das Grundwasser? Gibt es chemische Verunreinigungen oder Belastungen des Bodens? All das soll genauer unter die Lupe genommen werden. Ein weiterer großer Bohrer dringt dabei in Tiefen von bis zu 26 Metern vor und fördert entsprechende Bodenproben zutage, die dann im Labor tiefgreifend untersucht werden. Manchmal ergeben sich aus der Laboranalyse direkte Auswirkungen auf die Planungen im Bauprojekt: Vielleicht passt die ursprünglich geplante Bauweise nicht zu den Gegebenheiten des Bodens und es müssen Anpassungen vorgenommen werden. Das kann den Bauprozess verändern, ist aber eine wichtige Erkenntnis für das Projektteam. Denn nur wer den Baugrund richtig kennt, kann ein sicheres und standfestes Gebäude errichten. Das Nürnberger Projektteam befindet sich bereits mitten in diesem Prozess und erwartet nun die Laborergebnisse, die nach Abschluss der bisherigen Arbeiten angefordert wurden. Damit rückt der Baubeginn Schritt für Schritt näher.