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03.12.2025

AutomatedTrain: Konzepte und Systembausteine für fahrerlose Züge

Funktionaler Ablauf einer vollautomatisierten, fahrerlosen Bereitstellungsfahrt mit Reaktion auf ein Hindernis im Gleis

Durch die Automatisierung von Bereitstellungs- und Abstellfahrten können zentrale Abläufe im Bahnbetrieb neu gedacht werden. Tätigkeiten, die heute noch manuell durch Triebfahrzeugführende erfolgen – wie das Auf- und Abrüsten von Zügen oder das Fahren auf „Hindernissicht“ – sollen künftig automatisiert erfolgen. Damit geht das Konsortialprojekt AutomatedTrain einen wichtigen Schritt in Richtung vollautomatisierten, fahrerlosen Zugbetrieb. 

Automatisierung und Digitalisierung sind entscheidend für den zukünftigen Bahnbetrieb. Angesichts des Fachkräftemangels müssen Triebfahrzeugführende möglichst effizient eingesetzt werden. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Projekt AutomatedTrain, das von DB InfraGO und acht weiteren Partnern aus Industrie und Wissenschaft getragen wird, zielt darauf ab, das fahrerlose Fahren im Bahnbetrieb zu ermöglichen. Das Projekt spezifiziert, entwickelt und erprobt ein System für vollautomatisierte Zugfahrten (GoA4 – Grade of Automation 4). Ziel ist die Demonstration der technischen Machbarkeit von fahrerlosen Bereitstellungs- und Abstellfahrten sowie des vollautomatischen Auf- und Abrüstens von Zügen. Die Ergebnisse sollen auf der InnoTrans 2026 vorgestellt werden. Nach erfolgreichem Abschluss einer Laborphase erfolgt derzeit die Implementierung des Systems auf zwei Prototypzügen (Mireo von Siemens Mobility und BR430 der S-Bahn Stuttgart).

Hintergrund
Bereitstellungs- und Abstellfahrten erfolgen heute vom ersten und letzten Bahnhof auf „Hindernissicht“. Im Projekt AutomatedTrain wird die Automatisierung des Anwendungsfalls ohne Fahrgäste und mit einer Geschwindigkeit von maximal 40 km/h bei ETCS Level 2 Full Supervision umgesetzt. Da ETCS im Full Supervision Mode vorausgesetzt wird, lässt sich die Betrachtung von Zug-Zug-Kollisionen bei der Objekterkennung für den Anwendungsfall vermeiden. Des Weiteren sind Bahnübergänge und Trennstellen vom Anwendungsfall ausgeschlossen. Das AutomatedTrain-System erweitert die bereits bestehenden Fahrzeugkomponenten Fahrzeugsteuerung, ATO-OB (Automated Train Operation – Onboard Unit) und ETCS-OB (European Train Control System – Onboard Unit) um drei neue Elemente:

  • Automatic Processing Module (APM-OB) als zentrale Steuereinheit,
  • Object Detection System (ODS) zur Hinderniserkennung,
  • Vehicle Data Logger (VDL) zur Datenspeicherung.

Die CENELEC-konformen Spezifikationen, die eine spätere europäische Standardisierung unterstützen sollen, werden in den beiden Prototypzügen implementiert und erprobt.

Vorbereitung der Zugfahrt: Automatisiertes Aufrüsten

Die bislang manuell durchgeführte Zugaufrüstung wird in dem Projekt weitgehend automatisiert. Über das APM-OB erhält das Fahrzeug Missionsdaten und führt anschließend eigenständig Prüfläufe, Bremsproben, Zugdateneingaben und Fahrzeugzustandsänderungen durch. Nach Abschluss dieser Vorgänge übermittelt das System eine Zugvorbereitungsmeldung an die Leitstelle. Nicht automatisierbare Tests, etwa an sicherheitsrelevanten Bedienelementen, bleiben manuell und werden entweder durch die Triebfahrzeugführenden bei Übernahme des Zuges oder während des weiteren Betriebs durchgeführt.

Fahrt und Hinderniserkennung

Nach Erhalt der Fahrerlaubnis durch das ETCS-OB setzt sich der Zug automatisch in Bewegung. Das Objekterkennungssystem (ODS) überwacht während der Fahrt den Fahrweg. Anhand eines Zonenkonzepts und für jede Zone festgelegter Reaktionen entscheidet das APM-OB, ob eine akustische Warnung, Betriebs- oder Schnellbremsung ausgelöst wird.

Um Fehldetektionen zu vermeiden, werden Sensordaten mit digitalen Infrastrukturdaten abgeglichen. Aus aktueller Normensicht sind derzeit keine sicherheitsrelevanten Funktionen auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI) oder Machine Learning (ML) vorgesehen. Deshalb verzichtet das System auf eine Klassifizierung von Objekten und reagiert auf alle Objekte im Fahrweg einheitlich, um ein mit dem heutigen Betrieb vergleichbares Sicherheitsniveau zu gewährleisten und den Zulassungsprozess zu vereinfachen.

Einleitung der Fahrzeugreaktion

Erkennt das ODS ein Objekt, ermittelt das APM-OB den Bremsweg zum Objekt, löst eine Warnung über das Horn aus und leitet – abhängig von der Zone – bei Bedarf eine geeignete Bremsung ein. Das APM-OB entscheidet dabei, ob eine Betriebsbremsung über das ATO-OB oder eine Schnellbremsung direkt über die Fahrzeugsteuerung eingeleitet wird. Dieser modulare Ansatz bei gleichzeitiger Aussparung des ETCS-OB in der Schnellbremsreaktionskette verkürzt Reaktionszeiten, reduziert Zulassungsaufwand und erlaubt optimierte Bremskurven. Nach Einleitung der Fahrzeugreaktion erfolgt die Meldung von Betriebseinschränkungen an die Leitstelle durch das APM-OB.

Bei automatischen Bremsungen oder technischen Störungen sendet das System detaillierte Statusmeldungen an die Leitstelle, einschließlich Informationen zu Situation, Position, Art des Objekts und Reaktionen. Die Leitstelle entscheidet anschließend über das weitere Vorgehen. Eine automatische Wiederanfahrt nach einem Halt ist derzeit nicht vorgesehen, weil nach aktuellem Stand der Technik eine Bewertung durch einen Menschen eine zuverlässigere und schnellere Betriebsaufnahme ermöglicht als durch das eingesetzte technische System.

Zusammenfassung und Ausblick

AutomatedTrain entwickelt ein modular aufgebautes System für vollautomatisierte, fahrerlose Zugfahrten für den Anwendungsfall der Bereitstellungs- und Abstellfahrten. Mit den nun anstehenden Fahrzeugtests erfolgt der Transfer der modularen Systemarchitektur für ein vollautomatisiertes Fahrzeug von der Theorie in die Praxis. Das Projekt schafft durch die Entwicklungen eine gemeinsame Basis für Bahnbetreiber und Industrie zur Standardisierung und Entwicklung serienreifer Produkte für das vollautomatisierte, fahrerlose Fahren. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Projektes können die Industriepartner auf Grundlage der erzielten Ergebnisse unmittelbar mit ihren Serienentwicklungsphasen starten.

Einen detaillierten Einblick in die zugrunde liegenden Konzepte und Systembausteine des Systems bietet ein aktueller Fachbeitrag in der Oktober-Ausgabe des Magazins „Der Eisenbahningenieur“. 

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AutomatedTrain wird gefördert durch die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union. Zuwendungsgeber sind das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages sowie die Europäische Union.