Gemeinsam für eine starke Schiene: Auftakt der Abnahmefahrten im „Großprojekt ETCS Korridor Rhine-Alpine“ mit neuer Abnahmelok
Die Digitale Schiene Deutschland (DSD) als Teil der DB-Dachstrategie „Starke Schiene“ steht für einen einheitlichen, digital gesteuerten Zugverkehr in Europa. Das Zugbeeinflussungssystem European Train Control System (ETCS) ist dabei ein entscheidender Baustein für ein interoperables Streckennetz. Zur Erzielung der Interoperabilität trägt der Korridor Rhine-Alpine wesentlich bei. Auf dem deutschen Streckenabschnitt zwischen dem niederrheinischen Oberhausen-Sterkrade bis hin zur Schweizer Grenze (Weil am Rhein) erfolgt die Ausrüstung mit ETCS und digitalen Stellwerken (DSTW). In Vorbereitung von ersten Inbetriebnahmen mit ETCS Level 2 wurde jetzt eine Abnahmelok für Abnahmefahrten in Betrieb genommen.
Start der langersehnten Abnahmefahrten
Am Abend des 6. Julis 2022 starteten vom Hauptbahnhof Darmstadt aus die ersten Abnahmefahrten mit der neuen Lok auf dem deutschen Teil des Korridors Rhine-Alpine zur Abnahme des Systems ETCS Level 2. Projektleiter des Großprojekts ETCS Korridor Rhine-Alpine, Ulrich Kohlenberger, hat zusammen mit dem Leiter Technik des Teilprojekts Mitte, Frederik Schmalle, dem Inbetriebnahmemanager des Teilprojekts Mitte, Marc Hansen, sowie dem Projektingenieur des Teilprojekts Mitte, Firas Omran, den Start in Darmstadt eingeleitet (siehe Titelbild, Namen v. l. n. r, Quelle: DB Netz AG/Ulrich Kohlenberger).
Gemeinsam mit zahlreichen Partnerunternehmen schuf das Großprojekt auf dem rund 37 Kilometer-umfassenden Inbetriebnahmeabschnitt „Darmstadt–Eberstadt“ zwischen Darmstadt Hauptbahnhof und Weinheim an der Bergstraße in den vergangenen Monaten alle notwendigen Voraussetzungen für die Durchführung von Abnahmefahrten. Dazu gehörten z. B. der komplette Planungsvorgang, die Bauausführung und eine erfolgreiche Abnahme im Labor.
Mit Beginn der Abnahmefahrten werden anhand von realen Zugfahrten die im ETCS-System hinterlegten Streckeneigenschaften – wie z. B. einzelne Signalpositionen, Weichenanfänge oder Streckeneinschränkungen – überprüft, um einen sicheren Bahnbetrieb nach der folgenden Inbetriebnahme in 12/2022 zu ermöglichen.
Enge Zusammenarbeit mit allen Partnerunternehmen
Den Abnahmefahrten vorausgegangen waren viele Jahre der Planung und Bauausführung. Aufgrund der Größenordnung des Korridors Rhine-Alpine auf dem deutschen Schienennetz in Höhe von rund 1.600 Streckenkilometern mussten und müssen alle Partnerunternehmen eng zusammenarbeiten sowie neue Wege zur zeitlichen Staffelung der einzelnen Aktivitäten über mehrere Jahre beschreiten. Nur so war und ist es möglich, trotz eines ambitionierten Zeitplans alle relevanten Meilensteine – wie Planung, Bauausführung, Abnahme und Inbetriebnahme – termingerecht zu erreichen. Beispielsweise können wir in Bezug auf die Planungsaktivitäten auf verlässliche Partner– wie auf diesem Inbetriebnahmeabschnitt ein Team der DB Engineering & Consulting – zurückgreifen. Dadurch konnten auch kurzfristig entstandene Änderungen der Planung schnell eingearbeitet und umgesetzt werden.
„Eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten ist der Schlüssel für jedes erfolgreiche Projekt. Nur so können bei einem Projekt in dieser Größenordnung alle einzelnen Zahnräder ineinandergreifen und reibungslos laufen.“
Ulrich Kohlenberger, Projektleiter Großprojekt ETCS Korridor Rhine-Alpine
Ambitioniert werden im Projektgeschäft Zeitpläne zusätzlich, wenn etwas Unvorhergesehenes eintrifft. Auch in diesem Projekt entstanden Herausforderungen, die jedoch von allen Beteiligten erfolgreich bewältigt werden konnten. Zum Beispiel kam es zu einer Verschiebung der Planungsgrundlagen, die neue Sperrpausen notwendig machten. Aufgrund des notwendigen Vorlaufs konnten diese nicht mehr prozessgemäß eingetaktet werden. Zudem verhinderten auf der parallelen Umleiterstrecke Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim eingeplante Baumaßnahmen eine weitere Anmeldung unterjähriger Streckensperrungen.
Dies machte eine Konsolidierung der geplanten Bautätigkeiten notwendig. Gemeinsam mit der Baubetriebsplanung des Regionalbereichs Mitte der DB Netz AG und dem Projekt ESTW Riedbahn konnte eine Lösung gefunden werden, um beiden Projekten die notwendigen Sperrpausen zu sichern.
Warum ein neues ETCS-Abnahmefahrzeug?
Eine weitere Herausforderung im Projektmanagement des Großprojekts ETCS Korridor Rhine-Alpine stellt neben der Verfügbarkeit der Ressource Mensch vor allem die Verfügbarkeit der Ressource Material dar. Es zeichnete sich bereits frühzeitig ab, dass die Abnahmefahrzeuge nicht im benötigten Umfang zur Verfügung stehen, da mehrere ETCS-Projekte in Deutschland auf diese Ressource zurückgreifen. So war bundesweit bis vor wenigen Monaten nur ein einziges ETCS-fähiges Fahrzeug für Abnahmefahrten oder Sicherheitserprobungen im Rahmen der Systemzulassung vorhanden. Dieses von der Firma Siemens eingesetzte Fahrzeug hätte den Bedarf an Fahrten – selbst bei optimistischer Planung – bereits auf dem Korridor Rhine-Alpine allein nicht decken können. Folglich musste das Großprojekt Korridor Rhine-Alpine zusammen mit der DB Systemtechnik eine Lösung erarbeiten: Im Ergebnis wurde eine neue Vectron-Abnahmelok der Firma Siemens beschafft. Diese unterstützt die Abnahmetätigkeiten auf dem Korridor Rhine-Alpine.
In der Nacht vom 06.07.2022 auf den 07.07.2022 war es endlich so weit: Die neue Abnahmelok startete vom Darmstädter Hauptbahnhof in Richtung Süden. Sie ist damit erstmals auf dem Korridor Rhine-Alpine im Einsatz und wird in Zukunft für den Großteil der ETCS-Abnahmefahrten sowohl auf dem Korridor als auch deutschlandweit in anderen ETCS-Projekten eingesetzt werden.
Das Team des Großprojekts ETCS Korridor Rhine-Alpine dankt allen Projektbeteiligten und Mitarbeitenden für ihren unermüdlichen Einsatz, der zu diesen Erfolgen geführt hat – gemeinsam für eine Starke Schiene!
Infobox: ETCS Level 2
Das System ETCS Level 2 ist ein Zugsicherungssystem, bei dem der/die Triebfahrzeugführer:in – ähnlich des abgekündigten Bestandsystems LZB (Linienförmige Zugbeeinflussung) – anzeigegeführt fährt und nicht auf Sicht per Signale. ETCS Level 2 wird sowohl den grenzüberschreitenden Bahnverkehr ohne nationale Zugsicherungssysteme ermöglichen als auch das vorhandene nationale Zugsicherungssystem LZB ersetzen. Über im Gleis verbaute Balisen wird dem Triebfahrzeug unter anderem seine aktuelle Position und weitere Informationen übermittelt, die es für die sicher Fahrerlaubnis (Movement Authority) braucht.
Infobox: Großprojekt ETCS Korridor Rhine-Alpine
Der Korridor Rhine-Alpine ist einer von neun transeuropäischen Kernnetzkorridoren und verbindet von Rotterdam bis Genua wichtige Wirtschaftsräume zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer.
Der deutsche Anteil ist für die Ausrüstung mit ETCS in eine Vielzahl von Inbetriebnahmeabschnitten unterteilt, die gestaffelt in Betrieb genommen werden sollen. Er erstreckt sich auf rund 1.600 Streckenkilometern entlang des Rheins zwischen Oberhausen und Basel Badischer Bahnhof. Ziel ist es, die Durchfahrbarkeit des Korridors mit ETCS sicherzustellen.
Aufgrund der räumlichen Ausdehnung, der notwendigen Stellwerkserneuerungen, der erforderlichen Integration von diversen Bestandstechniken in neue Systeme sowie einer der höchsten Streckenbelastungen Europas, handelt es sich beim Großprojekt ETCS Korridor Rhine-Alpine um eines der komplexesten ETCS-Projekte, welches gegenwärtig von der DB Netz AG umgesetzt wird.
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