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29.02.2024

Künstliche Intelligenz für das Verkehrsmanagement der Zukunft

Im deutschen Streckennetz finden täglich ca. 40.000 Zugfahrten statt – und der Schienenverkehr soll weiter kräftig ansteigen. Wenn allerdings tausende Züge im dichten Verkehr unterwegs sind, müssen bei Störungen im Betriebsablauf zahlreiche Entscheidungen getroffen werden. Um zukünftig schneller und effektiver auf Störungen reagieren zu können, braucht es neue Ansätze. Hier kann die Kombination von Künstlicher Intelligenz (KI) mit konventionellen Optimierungsmethoden eine aussichtsreiche Lösung sein.

 

Im Zielbild der Digitalen Schiene Deutschland (DSD) ist ein intelligentes Verkehrsmanagementsystem (Capacity & Traffic Management System – CTMS) ein wichtiger Baustein für die Digitalisierung des Netz- und Fahrbetriebs. Das System muss dabei in der Lage sein, Störungen im Betriebsablauf selbstständig zu beurteilen und Fahrpläne automatisch sekundenschnell anzupassen. In konventionellen Optimierungssystemen steigt dabei die Rechenzeit exponentiell mit der Anzahl der Züge oder der Größe des Netzes, sodass diese Systeme für den Einsatz im großflächigen Bahnbetrieb nur bedingt geeignet sind. Ein Ausweg bietet hier eine Kombination von klassischen Methoden des Operations Research (OR) und der Künstlichen Intelligenz. Dies hat das CTMS-Team der Digitalen Schiene Deutschland an einem konkreten Anwendungsfall getestet. Im Fokus stand dabei die Verkehrssteuerung (Disposition) eines realen Ausschnitts des deutschen Schienennetzes um den Hauptbahnhof Magdeburg. In einem aktuellen Artikel im Fachmagazin SIGNAL+DRAHT wird der Anwendungsfall mit seinen Ergebnissen im Detail vorgestellt.

 

Optimierungsansatz und Testszenarien

 

Als Testszenarien wurden vom CTMS-Team Infrastrukturstörungen im o. g. Netzausschnitt gewählt. Dabei musste im laufenden Betrieb ein aktueller Ablaufplan aufgrund eines plötzlich unbefahrbaren Streckenabschnitts neu berechnet und Züge entsprechend umgeleitet werden. Ziel dabei war, die Gesamtverspätung über alle fahrenden und geplanten Züge zu minimieren. Die Einzelverspätungen ergeben sich aus der Diskrepanz zwischen den neuen Ankunftszeiten an den Bahnhöfen und den im ursprünglichen Fahrplan vorgesehenen Zeit. Diese Werte werden über alle Halte und Züge aufsummiert. Je mehr Züge also unterwegs sind, desto größer wird die Gesamtverspätung. Das beschriebene Problem wird in der Literatur als Timetable Rescheduling (TTR) Problem bezeichnet und bislang mit bekannten Optimierungsmethoden des OR behandelt. Damit die Rechenzeit für eine optimale Lösung aber nicht exponentiell mit der Anzahl der Züge wächst, wurden die bekannten Methoden jetzt mit der Technik des Deep Reinforcement Learning (DRL) kombiniert. DRL ist eine Methode der KI, in der KI-Modelle durch Erfahrung lernen, komplexe Entscheidungsprobleme zu lösen. Es wurden insgesamt sieben Testszenarien durchgespielt, die jeweils zwei Stunden Betriebszeit umfassen. Zwischen 20 und 35 Züge befuhren dabei den Netzausschnitt, der die gestörte Strecke enthält. Dabei wurde bewusst eine Verkehrsdichte erzeugt, die insbesondere in den Bahnhöfen mit der realen Verkehrsdichte im heutigen Betrieb vergleichbar ist.

 

Evaluation und Ergebnisse

 

In sechs von sieben Fällen waren die Ergebnisse mit dem neuen Ansatz erheblich besser als mit den herkömmlichen Optimierungsverfahren. So lag die benötigte Rechenzeit für Szenarien mit 20, 25, 30 und 35 Zügen des KI-Modells relativ konstant bei ca. 10-20 Sekunden und war auch bei der höchsten Anzahl von 35 Zügen nicht wesentlich größer als bei geringeren Anzahlen. Die Tests haben gezeigt, dass der gewählte Deep Reinforcement Learning-Ansatz das Potenzial hat, auftretende Probleme in hoher Qualität zu lösen und insbesondere auch für hohe Zuganzahlen skalierbar ist. Insbesondere für ein automatisiertes Verkehrsmanagementsystem, das flexibel und schnell auf Störungen in größeren Netzausschnitten reagieren muss, ist das besonders wichtig. Eine Weiterentwicklung derartiger Ansätze scheint daher sehr erfolgsversprechend.  

 

Link zum Artikel:

Weitere Details zu dem neuen Ansatz und den Testszenarien:

SIGNAL+DRAHT (01+02/2024) „Künstliche Intelligenz für das Verkehrsmanagement der Zukunft“